14 21/2023 Gesundheitswesen Anzeige Einschätzung von Forsting unter anderem an der Datengrundlage: „Wenn Sie den Algorithmus aber isoliert mit medizinischen Texten füttern, dann wird die KI dramatisch besser.“ Die Qualität der Antworten könnte also stark gesteigert werden, hätte ChatGPT Zugriff direkt auf Datenbanken. Diese Digitalisierung würde zwar die Ärzteschaft nicht ersetzen, aber die Arbeit doch erleichtern, zum Beispiel in Bezug auf das Arztbriefschreiben aus elektronischen Patientenakten, so Forsting. Er fasst es wie folgt zusammen: „Es geht darum, den absehbaren Arztmangel irgendwie zu kompensieren.“ Aber die Bewertung „disruptiv“ lasse sich erst im historischen Rückblick treffen. Kleidung als Datenlieferant und KI beschleunigen Diagnostik Daten lassen sich auch mithilfe smarter Textilien gewinnen. So haben internationale Forschungsgruppen unter der Leitung von Prof. Aldo Faisal, Lehrstuhlinhaberin für Digital Health an der Uni Bayreuth, auf der Basis von am Körper getragenen Sensoren (Wearables) und KI ein neuartiges Instrumentarium für die Diagnostik und Überwachung neurologischer Erkrankungen entwickelt. „Wir detektieren kleinste Veränderungen im alltäglichen Leben und werten sie aus“, erklärt Prof. Faisal. Erprobt wurde dies an der Friedreich-Ataxie und der Duchenne-Muskeldystrophie. Mit herkömmlichen Methoden könne die Diagnostik laut Faisal zweieinhalb bis drei Jahre dauern, mit der KI rund neun Monate. Diese Form der Auswertung lasse zudem Rückschlüsse auf das Wirksamwerden von schädlichen Genen zu. „Wir können mit unseren digitalen Biomarkern Genetik betreiben“, so Faisal und ergänzt: „Nach Beginn einer Therapie können unsere Biomarker dabei helfen, deren Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls nötige Anpassungen vorzunehmen.“ Das könnten nicht nur Patientinnen und Patienten nutzen, sondern auch die Entwicklung von neuen Arzneimitteln beschleunigen. Der Algorithmus soll auf viele Erkrankungen anwendbar sein. Erprobt wird er beim Schlaganfall. „Wir können hiermit am Krankenbett das Risiko für einen zweiten Schlaganfall bestimmen“, meint Faisal im Vorgriff auf ihren Auftritt beim MEDICA HEALTH IT FORUM (am Dienstag, 14. November). Dabei sei lediglich eine Beobachtungszeit von rund anderthalb Stunden notwendig. Die KI werde lediglich mit Daten aus alltäglichen Bewegungen gefüttert – eben nicht mit speziellen. „Sie brauchen eine KI, die aus diesen Bewegungen die kritischen heraussuchen kann“, umreißt Faisal die Anforderung. Wie sicher ist die KI? Eine zentrale Frage bleibt insbesondere die der Sicherheit einer KI. Damit beschäftigt sich Dr. Narges Ahmidi, Leiterin der Abteilung „Reasoned AI Decisions“ am Fraunhofer IKS. Dr. Ahmidi ist Moderatorin der ForumSession zum Thema „Safe AI“ (am Mittwochmittag, 15. November). Für sie ist die Rollenverteilung klar: „Ärzte sind Ärzte. Sie sind keine Ingenieure der Qualitätskontrolle oder ähnliches.“ Eine KI sollte auf Herz und Nieren getestet sein, bevor sie an Patientinnen und Patienten angewendet werde. Klar sei dabei, dass es auf gute Daten ankomme und diese zu sammeln, sei nicht immer einfach. Abhängig von der Häufigkeit einer Krankheit würden unterschiedlich viele Daten benötigt. Bei seltenen Erkrankungen würden daher zunehmend Algorithmen genutzt, die mit wenig Daten auskämen. „Wir haben viele Lösungen, aber wir müssen sie zu den Patienten bringen“, so Ahmidi und sie betont, dass Ärztinnen und Ärzte den angebotenen Lösungen nicht bedingungslos vertrauen sollten. Es gebe Institute, die KIs prüften, bevor sie in Patientenkontakt kämen. „Wir sind hier, um zu helfen“, meint Ahmidi. Für sie sei eine gute KI eine, der man vertrauen könne und die nicht mit unerwarteten Antworten überrasche. „Denn überraschendes Verhalten im Kontakt mit Patienten ist schädlich“, hebt Ahmidi hervor. Bart de Witte und der „Anti-Gutenberg-Moment“ medizinischer KI Für einen gesellschaftlichen Ansatz steht Bart de Witte als einer der weltweiten Top-Spezialisten für KI und digitale Transformation im Gesundheitsbereich. Sein Auftritt in der Session zu „Safe AI“ unter- streicht ebenfalls, wie hochkarätig das Forum einmal mehr besetzt ist und dürfte mit besonderer Spannung erwartet werden. Denn de Witte argumentiert, dass die Gesundheitsbranche vor einem „Anti-GutenbergMoment“ stehen könnte, wenn die medizinische KI nicht „demokratisiert“ werde. Dieses Szenario drohe, sollte beispielsweise ein einziges Unternehmen den Großteil medizinischer Informationen der Welt in digitaler Form besitzen. Bart de Witte widmet sich deshalb dem Aufbau einer Open-Source-Community und Initiative für KI im Gesundheitswesen. Er ist ein Gründer der „Hippo AI Foundation“, die mit einer offenen Wissenschaft das kollektive Fachwissen und die Kreativität der weltweiten wissenschaftlichen Gemeinschaft nutzen will, um innovative, zugängliche, gerechte und wirksame Lösungen zu entwickeln. Gesundheitsvideos, die wirklich helfen Einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind Social-Media-Plattformen. Doch sollten sie kritisch betrachtet werden als Informationsquellen für Gesundheitsthemen. Denn nicht immer werden Patientinnen und Patienten durch YouTube & Co. auf die richtigen Pfade gelenkt – und Ärztinnen sowie Ärzte müssen dann aufwändig Fehlinformationen richtigstellen. Kurz: Diese Entwicklung muss aufgegriffen und diskutiert werden. Das geschieht in der Forum-Session „TikTok, Insta, YouTube & Co. - Engaging, Learning and Networking on Social Media Platforms“ (am 14. November, ab 14 Uhr). Wie beispielsweise YouTube genutzt werden kann zur Verbreitung von richtigen Informationen, wird Prof. Christian Sina vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein vorstellen. Denn er selbst geht diesen Weg als „YouTuber“, wobei er sich nicht als Influencer sieht. YouTube sei schlicht bedeutsam, auch bei der Suche von Usern nach Gesundheitsinformationen. Und mit `YouTube Health´ könnten sich neue Perspektiven eröffnen. Dieses spezielle Angebot von YouTube wird mit einer eine Reihe von Gesundheitsfeatures auch in Deutschland eingeführt. Infobereiche mit Kontext zur Quelle der Gesundheitsinformationen sollen dabei helfen, Videos verlässlichen Ursprungs zu erkennen. Außerdem werden Videos aus diesen Quellen in den Suchergebnissen im Bereich mit gesundheitsbezogenen Inhalten hervorgehoben, wenn User nach Gesundheitsthemen suchen. Diese Kontextinformationen sollen es erleichtern, Gesundheitsinformationen im Internet zu finden und einzuschätzen. Um zuverlässige Quellen zu finden, werden die von der National Academy of Medicine (NAM) entwickelten und von der Weltgesundheitsorganisation validierten Kriterien angewendet. Prof. Sina glaubt, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung nicht nur für YouTube sei. „Die Entscheidung, ob jemand eine Vorsorgeuntersuchung macht oder nicht, wird Zuhause getroffen – auch unter Zuhilfenahme von YouTube“, sagt Prof. Sina und ist überzeugt, dass mit aussagekräftigen Videos im Vorfeld von Maßnahmen Aufklärungsarbeit geleistet werden könne. Dabei scheinen die Klickzahlen laut Studien kein valider Qualitätsindikator für gute medizinische Informationen zu sein.
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