Damit aus Daten Informationen werden, müssen viele kleine und große Stellschrauben gedreht werden. Die Durchgängigkeit und einheitliche Sprachen gehören dazu. Ebenso wichtig für ein vollständiges Bild ist, dass möglichst viele Teilnehmer der Prozesskette digital denken und handeln. Die AMB 2022 in Stuttgart vom 13. bis 17. September 2022 wird diesen Lösungen eine Bühne bieten, wie dieser Beitrag zeigt.
Produktivität und technische Verfügbarkeit sind nach wie vor die wichtigen Kenngrößen und somit stets im Blick der Entscheider im produzierenden Gewerbe. Auch in der Metallbearbeitung kommen Herausforderungen wie Nachhaltigkeit und ein kreativer Umgang mit dem Fachkräftemangel hinzu. In einer Art Rundumschlag ist es die Digitalisierung, die hier für Abhilfe sorgen soll, getreu dem Motto „Wissen ist Macht“. Immer mehr Sensoren und smarte Programme sorgen dafür, dass rund um die Werkzeugmaschine mehr und mehr Daten gesammelt werden, die weiter verarbeitet entscheidende Informationen liefern, um die Prozesse zu optimieren.
Ein besonders beeindruckendes Resultat hat DMG Mori geliefert und mit Zahlen unterfüttert: Eines der Digitalisierungsziele des Konzerns ist es mithilfe des digitalen Zwilling Produktionen schneller hochfahren zu können. So entsteht mit jeder realen Werkzeugmaschine von DMG Mori auch deren virtuelles Abbild. Dieser digital Twin hilft bereits vor der Installation beim Engineering flexibel automatisierbarer Fertigungssysteme oder im Training. Er liefert ein dynamisches Abbild aller Komponenten, Funktionalitäten und Achsen sowie aller Steuerungsfunktionalitäten von NC und PLC inklusive relevanter Zyklen. So schafft DMG Mori ein Geschwindigkeitsplus von bis zu 40 % beim Hochfahren der Produktion. Gleichzeitig reduzieren sich die Kosten um bis zu 30 % und besonders wichtig für den reibungslosen und effizienten Betrieb: Kollisionen werden vollständig vermieden.
Vorausschauende Steuerung von Anlagen
Solche Zahlen liefern die Motivation sich intensiv mit der Digitalisierung und der Entwicklung neuer Lösungen zur Fertigungs- und Prozessoptimierung auseinanderzusetzen. So auch German Wankmiller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Grob-Werke: „Industrie 4.0 bietet für den Maschinen- und den Anlagenbau große Chancen und bildet die Grundlage, um ressourcenschonend, flexibel und produktiv die Maschinen und Anlagen zu betreiben. Eine Entwicklung, die lange noch nicht abgeschlossen ist, da es sich um einen agilen Entwicklungsprozess handelt, der ständig im Fluss ist und nahezu wöchentlich neue technische Änderungen hervorbringt.“
Im Zuge der Globalisierung sind für ihn digitale Lösungen bereits seit Jahren nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil: Der Bedarf nach Weiter- und Neuentwicklungen von Lösungen und Produkten im Bereich der Digitalisierung wird aus seiner Sicht in der gesamten Branche in den kommenden Jahren weiter steigen. Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: „Gerade in heterogenen Produktionsumgebungen können Automatisierungs- und Digitalisierungskonzepte die Effizienz der Mitarbeiter und Anlagen stark erhöhen. Doch es müssen auch Schnittstellen geschaffen werden, um Anlagen miteinander zu vernetzen“, sagt Wankmiller.
Und er verfolgt dabei einen offenen Ansatz: Dank der Weiterentwicklung universeller Konnektivität und flexibleren Anpassungsmöglichkeiten lassen sich mit den von Grob modular entwickelten Applikationen innerhalb von Grob-NET4Industry nicht nur die Grob-Maschinen, sondern alle Arten von Maschinen und Steuerungen sämtlicher Hersteller in einer ganzheitlichen Digitalisierungs-Plattform anbinden. Dadurch können Anwender die Performance der Maschinen analysieren und Prozesse optimieren. Das will das Unternehmen auf der AMB zeigen: Auf allen Maschinen, die ausgestellt werden, ist Grob-NET4Industry integriert. So kann live erlebt werden, welche Lösungen Grob anbietet, um die Transparenz in der Produktion und Fertigung zu erhöhen.
Die Module innerhalb von Grob-NET4Industry ermöglichen eine Organisation der direkten und indirekten Bereiche rund um die Zerspanung mit dem Ziel, die qualitativ hochwertigen und sehr präzisen Werkzeugmaschinen bestmöglich auszulasten. Ein MES ermöglicht in Kombination mit dem Warenwirtschaftssystem des Anwenders, die Auftragsverwaltung, Planung und Auftragssteuerung auf den Maschinen. Von der Produktionsplanung, -überwachung und -analyse, über die Visualisierung von Vorgängen bei der Werkstückbearbeitung, bis hin zum proaktiven Service und zur Instandhaltung, werden alle Bereiche der Produktion gekoppelt. Die Grob-NET4Industry-Produkte verfügen über Integrationsplattformen für alle Maschinentypen. Ziel ist es, herstellerunabhängige Digitalisierungskonzepte umsetzen zu können und allen Kunden umfangreiche Projektbetreuung anzubieten.
German Wankmiller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Grob-Werke: „Wir haben bereits heute ein attraktives Angebot an Apps, mit denen unsere Kunden Maschinen überwachen und diverse Auswertungen machen können. Der Kunde hat dadurch maximale Transparenz in seinem gesamten Produktionsprozess. Dazu kommen Simulationsmöglichkeiten, Lösungen für den mannlosen Betrieb und ein umfassendes Paket für den Service und die Instandhaltung.“
Digitale Zwillinge für agile Fertigungssysteme
Der Nutzen einer virtuellen Inbetriebnahme mithilfe digitaler Zwillinge und ihre Auswirkungen auf Projekte wurde bei der MAG IAS GmbH untersucht, ein Unternehmen der FFG-Gruppe. Die Analyseergebnisse der Kosten und des Nutzens digitaler Zwillinge im Vorfeld der Einführung zeichneten ein deutliches Bild. Eine Verlagerung oder Aufteilung der Inbetriebnahme führt demnach nicht zu einer Reduzierung des erforderlichen Arbeitsstundenvolumens. Eine teilweise Verlagerung der Inbetriebnahme in die Planungs- und Beschaffungsphase – also parallel zu durchlaufzeitbestimmenden Abschnitten – reduziert vielmehr die reale Inbetriebnahme und damit die Projektdurchlaufzeit. Mit der Digitalisierung der Inbetriebnahme können Funktionstests auch ohne die Anwesenheit eines Bedieners automatisch häufiger wiederholt werden. Durch das Erkennen von sogenannten sporadischen Fehlern und deren Beseitigung während der virtuellen Inbetriebnahme wird der spätere ungeplante Aufwand für die Fehlerbeseitigung nach der Auslieferung reduziert, so die Untersuchungsergebnisse. Aus den Erfahrungen mit dem digitalen Prozesszwilling, der bereits seit einigen Jahren im Einsatz ist, wurde deutlich, wie schnell ein weg- und zeitoptimiertes NC-Programm ohne Kollisionsrisiken in Betrieb genommen werden kann.
Der digitale Prozesszwilling im MAG-Projekt ist ein Arbeitsraummodell, das die Achsbewegungen, die prozessrelevanten Nebenzeiten, die Aufspannvorrichtung, das zu bearbeitende Werkstück und die benötigten Schneidwerkzeuge simuliert. Die NC-Inbetriebnahme ist im Vergleich zu einer SPS-Inbetriebnahme sehr kurz, aber mit deutlichen Qualitäts- und Zeitvorteilen im Ergebnis und war daher auch eine der Motivationen für die Entwicklung des Digitalen Produktzwillings zur virtuellen Inbetriebnahme. Im Zuge der Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung beim Engineering komplexer Maschinen hat sich der mechatronische Ansatz als bester Hebel erwiesen, bei dem Komponenten parallel als mechanische, elektrische und fluidtechnische Modelle erstellt werden und so ein hoher Standardisierungsgrad erreicht wird. Für die Gespräche auf der AMB 2022 wird besonders auch für die Anwender die Erkenntnis wichtig sein, wie individuell die Betrachtungen durchgeführt werden müssen. Immerhin entstehen Produkte immer projektspezifisch aus einzelnen mechatronischen Komponenten: Maschinen, Automatisierungen, Arbeitsstationen, Messgeräte etc. Das Zusammenspiel der drei unterschiedlichen digitalen Zwillinge Process Twin, Product Twin und Production/System Twin sichert den Nutzen: Jede Produktionswoche früher bzw. jeder steilere Anlagenhochlauf bedeutet für den Anwender höheren Umsatz und trägt positiv zum Ergebnis bei.
Innovatives Steuerungskonzept von Anlagen
Auch Knoll, ein führender Anbieter von Förderanlagen, Filteranlagen und Pumpen für die Metallbearbeitung sowie für automatisierte Montage- und Logistiksysteme, verbessert mithilfe digitaler Lösungen die Prozesse rund um die Werkzeugmaschine. Florian Schomaker, Teamleiter Elektrotechnik bei Knoll, sieht einen deutlichen Trend: „Klar zu erkennen ist eine steigende Nachfrage nach Maschinendaten und deren Anbindung. Die Daten, die ohnehin entstehen und maßgeblich Indizien zur vorausschauenden Steuerung von Anlagen liefern, möchten zur eigenen Prozessoptimierung genutzt werden. Momentan existiert allerdings nur wenig Akzeptanz für die Schaffung einer Internetanbindung von Peripheriegeräten, da der Aufwand, die gewonnenen Daten zu speichern und zu visualisieren, als zu hoch empfunden wird.“
Dennoch sieht er die Notwendigkeit, digitale Zusatzprodukte und Services in das eigene Portfolio aufzunehmen: „Einfache Lösungen zur digitalen Datenvisualisierung werden im Maschinenbau immer gefragter. Daher ist es unerlässlich, als Maschinenbauunternehmen Digitalisierung an Werkzeugmaschinen aktiv voranzutreiben, um am zukünftigen Markt bestehen zu bleiben.“
Knoll sieht sich selbst hier als Vorreiter. Auf der AMB in Stuttgart werden die Besucher das komplett eigenständig entwickelte Bedienkonzept SmartConnect kennen lernen. „Unser System Knoll-SmartConnect bietet dem Anwender Möglichkeiten zur Datenverarbeitung, die so bisher an Werkzeugmaschinen-Peripheriegeräten noch nicht möglich war. Durch die Möglichkeit, app-gesteuert sämtliche relevanten Daten einsehen und auswerten zu können, lassen sich für den Kunden mit minimalem Installationsaufwand Peripheriegeräte steuern und Prozesse überwachen und optimieren.“
SmartConnect ist eine Art Edge-Computing-Lösung, die gespeicherte Daten direkt auf den Anlagen vorverarbeitet und über Schnittstellen, unter anderem auch drahtlos via Bluetooth, übergeordneten Systemen bereitstellt. „Dabei benötigen wir nicht zwingend eine Cloud-Verbindung. Es bietet sich hier an, beispielsweise auf eine Anbindung an die Umati-Werkzeugmaschinenschnittstelle und/oder auf den OPC UA Mechanismus zu setzen“, ergänzt Schomaker.
Spannmittel mit intelligenter Messtechnik
Die meisten Anwender fragen nicht mehr nach einzelnen Lösungen, sondern beschäftigen sich damit, wie sie einen ganzheitlichen und effizienten Produktionsprozess realisieren können. Das ist auch die Erfahrung von Stefan Nitsche, Bereichsleiter Hauptprodukte bei Hainbuch: „Wir erkennen den Trend, dass bei uns nicht nur die reine Spanntechnik angefragt wird, sondern der Kunde sich Rüstzeitminimierung durch Schnellwechselsysteme oder intelligente Spanntechnik wünscht. Eine häufige Forderung ist auch die Minimierung der Ausschussquote durch eine In-Line-Messung während des Produktionsprozesses. Aus unserer Sicht ist die Integration von elektrifizierten Produkten im Arbeitsraum Stand-der-Technik geworden“, ordnet er das Thema ein.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Arbeit getan wäre – im Gegenteil. Greifbare digitale Lösungen sind wichtiger denn je: „Um digitale Zusatzprodukte und Services kommen Firmen nicht mehr herum, denn so gut wie jeder ist heutzutage digital unterwegs. Auch im Maschinenbau, wo sich die Zahnräder noch etwas langsamer drehen, wünschen sich die Kunden mehr und mehr digitale Angebote. Um sowohl interne Abläufe als auch Serviceangebote für Kunden zu digitalisieren, haben wir 2018 die Abteilung Digitale Transformation gegründet“, sagt Nitsche.
Damit die Digitalisierung ein Erfolg wird, müssen jedoch wesentliche Aspekte berücksichtigt werden: „Zum einen müssen die Werker/Maschinenbediener mit einer einfachen und intuitiven Bedienoberfläche abgeholt werden. Das Ziel muss sein, dass Mensch und Roboter in einer Art Symbiose das Maximale für ihr Unternehmen leisten können. Nicht alle Automatisierungslösungen lassen sich komfortabel via Plug-and-use anbinden. Oft sind ältere Bestandsmaschinen dafür nicht ausgelegt. Darum haben wir Vischer & Bolli Automation in die Hainbuch-Gruppe aufgenommen. Sie arbeiten als Generalunternehmer und beleuchten den kompletten Prozess individuell aus Kundensicht. Das Lösungsspektrum beinhaltet nicht nur die Verknüpfung zwischen Werkzeugmaschine und Automatisierung, sondern auch die Spanntechnik und die Werkzeugbereitstellung. Dabei betrachten sie auch die Logistik bzw. die hauptzeitparallelen Tätigkeiten und bringen diese in Einklang“, erklärt Nitsche.
Zur AMB wird Hainbuch auch neue Hardware zeigen: „Wir haben Spannmittel mit integrierter, intelligenter Messtechnik – unsere IQ Reihe – im Gepäck. Damit sind dank integrierter Sensorik viele verschiedene Messungen und Überwachungen möglich. Sogar Messmaschinen lassen sich teilweise einsparen. Über berührungslose Daten- und Energieübertragung werden die Messdaten direkt an die Maschinensteuerung geleitet und ausgewertet“, gibt Nitsche einen Einblick in den Messeauftritt.
Spannmittel mit intelligenter Messtechnik
Bei aller Individualität in den Betrieben sieht auch Matthias Rapp, Head of Global Marketing der Chiron Group, einen klaren Weg zu mehr digitalen Lösungen: „Jeder Produktionsbetrieb hat seine eigene Produktionsphilosophie, die je nach Stückzahl und Komplexität der bearbeiteten Werkstücke beeinflusst ist. Dennoch stehen alle Unternehmen im Wettbewerb und unterliegen auch dem Kostendruck. Eine mannlose dritte Schicht oder mannlos am Wochenende zu bearbeiten zählt bereits für viele Unternehmen zum Standard.“
Genau an dieser Stelle sieht er weitere Chancen: „Smarte Automatisierungen gepaart mit smarten Digitalisierungen bieten den Betrieben einen klaren Mehrwert. Wir als Chiron Group sehen uns als Vorreiter in diesem Bereich, da wir bereits mehrere digitale Lösungen im Markt anbieten. Diese sind natürlich auch die Basis für unsere digitalen Dienstleistungen, die SmartServices. Zum Beispiel überwacht das digitale System ConditionLine den Zustand der Maschine und meldet kritische Parameter. Sind beispielsweise die Kugelrollspindeln verschlissen, wird der Kunde im Voraus informiert und kann diese rechtzeitig tauschen“, sagt Rapp.
Solche Lösungen ermöglichen es Anwendern zeitnah den Hersteller-Service zu kontaktieren und Serviceeinsätze und Wartungen gezielt zu planen. Vorangetrieben wird das Ganze von dedizierten Teams aus verschiedenen Fachbereichen. Dass Digitalisierung sehr oft auch ein Teamplay ist, weiß man bei der Chiron Group genau: In Kooperation mit Chiron hat das Unternehmen Zoller mit Cora ein System für automatisiertes Werkzeughandling und Werkzeugtausch entwickelt. Die Anbieter von Einstell- und Messgeräten sowie Softwarelösungen haben gemeinsam mit Chiron ein System entwickelt, das direkt mit den Bearbeitungszentren kommuniziert, einen sicheren Datentransfer ermöglicht und im Bearbeitungsprozess für ein Produktivitätsplus sorgt.
Die Vorarbeiten für solche Lösungen sind nicht trivial: In diesem Fall war die Kernkompetenz von Zoller gefragt, die entsprechend vorbereitete Komplettwerkzeuge einstellen und messen. Nächster entscheidender Schritt der smarten Lösung ist das Vernetzen von Einstell- und Messgerät mit dem Bearbeitungszentrum. Der Datentransfer kann sehr sicher, aber auch recht kostenintensiv, über RFID-Tags erfolgen. Ebenso sicher und auch für kleinere Unternehmen einfach und kostengünstig realisierbar ist die Datenübergabe via DataMatrix-Code.
Am Einstellgerät wird der Code auf dem Werkzeughalter mittels Handscanner eingelesen, das Werkzeug vermessen und die Ist-Daten in der zentralen Werkzeugdatenbank abgelegt. Am Bearbeitungszentrum befindet sich ebenfalls ein Codeleser, mit dem das Werkzeug eindeutig identifiziert wird. Die Maschinensteuerung ruft sich die Messdaten einschließlich aller weiteren für das Werkzeug erforderlichen Informationen direkt aus der Werkzeugdatenbank ab und liest diese in die Maschine ein – eindeutig, fehlerfrei, automatisch.
„Der sichere Datentransfer ist aber nur einer der Vorteile. Über die Produktions-Analysesoftware flash können wir die Werkzeugstandzeit nach dem Ampelprinzip live abfragen“, sagt Rapp. Erreichen die Werkzeuge die Warngrenze, erfolge eine Meldung im Werkzeugeinstellraum, das neue Werkzeug könne vorbereitet und rechtzeitig bereitgestellt werden. Ein weiteres Ergebnis des Kooperationsprojekts mit Zoller ist das Einbinden der vollständigen Werkzeugmodelldaten in ProtectLine. Der digitale Zwilling der Maschine wird vollautomatisch mit den gesamten Werkzeugdaten – Werkzeuggeometrie und Werkzeughaltergeometrie – komplettiert. So entsteht ein hocheffizienter Ablauf zum Erstellen des digitalen Zwillings, der die Systemgrundlage für den präventiven Kollisionsschutz der Maschine via ProtectLine bildet.
„Auch einen weiteren wichtigen Aspekt der Digitalisierung möchte ich nicht unerwähnt lassen: Wir haben es inmitten der Pandemie trotz striktem Reiseverbots geschafft, an einem neuen Fertigungsstandort in Vietnam mehrere Mill-Bearbeitungszentren in Betrieb zu nehmen! Das hat nur geklappt, weil unser engagiertes Team mit dem Servicepartner über digitale Service-Tools im Austausch stand“, berichtet Rapp stolz.
Digitale Lösungen im personalisierten Fenster
Dass sich der Trend zur Digitalisierung quer durch die Branche zieht, zeigt auch ein weiteres Beispiel: Der schwäbische Schärfspezialist Vollmer bietet für seine Schärfmaschinen webbasierte IoT-Gateways für den vernetzten Datenaustausch an, um Fertigungsdaten zu speichern und auszuwerten. Die IoT-Gateways tauschen die Prozess- und Fertigungsdaten zwischen Edge und lokalen Kundensystemen oder einer Cloud aus.
Vollmer geht hier voran, obwohl „der Markt für digitale Lösungen im Bereich der Schärftechnologien noch jung ist. Für Vollmer ist es wichtig, die Digitalisierung gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern voranzutreiben, denn für jede Zielgruppe ergeben sich unterschiedliche Vorteile. Es geht uns um eine sinnvolle und effiziente Vernetzung unserer Maschinen über unterschiedliche IoT-Plattformen, um Fertigungsprozesse zu verbessern und um neue Impulse innerhalb der Werkzeugentwicklung zu geben“, sagt Dr. Stefan Brand, Geschäftsführer der Vollmer Gruppe.
Hierzu hat Vollmer über die Initiative V@dison seine digitalen Zusatzprodukte und Services auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt. Jüngstes Beispiel ist ein webbasiertes Kundenportal, über das Kunden zukünftig Online-Zugriff auf digitale Informationen zum eigenen Maschinenpark oder auch den integrierten Ersatzteileshop hat.
Zur Initiative gehören weitere vier Bereiche: V@screen hat alle relevanten Maschinen-Parameter im Blick und vernetzt Schärfmaschinen mit Endgeräten. Sie sorgen für hohe Transparenz durch die schnelle Verfügbarkeit und Sichtbarkeit von Informationen. Mit V@check simulieren, testen und optimieren Werkzeughersteller ihre Fertigungsprozesse ohne Materialverlust, um Maschinenausfallzeiten zu reduzieren. Unter V@boost sind Softwaretools zusammengefasst, die die Leistung von Schärfmaschinen werkstückbezogen optimieren und den bekannten Funktionsumfang erweitern. V@guide schließlich erkennt Fehler vorausschauend und eignet sich für die vorbeugende Instandhaltung und den Wissenstransfer durch digitale Module oder auch automatisierte Kommunikationsprozesse.
„Auf der AMB präsentieren wir das gesamte digitale Paket. Besonders gespannt dürfen Besucher auf unser Kundenportal sein: Es ist für Vollmer-Kunden das digitale und personalisierte Fenster, das den Großteil der digitalen Dienstleistungen integriert“, lädt Brand nach Stuttgart ein.
Werkzeuge in Echtzeit digital überwachen
Informationen über den Zustand des Werkzeugs beim Bearbeitungsprozess können wertvolle Hinweise für den Bediener und die Organisation liefern. Um Werkzeuge in Echtzeit überwachen zu können, hat Horn in enger Zusammenarbeit mit der Kistler Gruppe eine Echtzeit-Werkzeugüberwachung von Drehbearbeitungen entwickelt. Die Experten von Kistler steuern dynamische Messtechnik zur Erfassung von Druck, Kraft, Drehmoment und Beschleunigung bei.
Das aus der Kooperation entstandene Piezo Tool System (PTS) besteht aus einem Kraftsensor, der in das Drehwerkzeug eingebaut wird und Aufschluss über den Zustand des Werkzeuges während der Bearbeitung gibt. Es erlaubt die Messung von Kräften ab wenigen Newton. Die Abtastrate liegt standardmäßig bei 10.000 Hz. Dies bietet die Möglichkeit, auch kleinste Zerspankräfte zu messen. So kann der Maschinenbediener fehlerhafte Materialien und Schneidstoffe oder auch einen Werkzeugbruch sofort erkennen.
Die Folge ist ein minimaler Ausschuss bei hoher Qualität. Des Weiteren kann der Anwender die Standzeit der eingesetzten Werkzeuge gezielt ausfahren. Horn bietet die sensorüberwachten Werkzeughalter als Quadratschaft-Drehhalter, als Lineareinheit für Citizen-Langdrehmaschinen und als einen Grundhalter für Index-Mehrspindler sowie für das Werkzeugsystem Supermini an. Weitere Schnittstellen für andere Maschinenhersteller sind in der Entwicklung.
Auf der AMB können sich die Besucher davon überzeigen, dass die PTS-Lösung kompatibel mit ausgewählten Standard-Drehhaltern von Horn ist. Zudem erfordert sie keinen Eingriff in die CNC-Steuerung. Auch erfolgt der Einsatz maschinenunabhängig und benötigt nur einen geringen Platzbedarf in der Maschine. Die Folgen des Einsatzes des PTS sind eine Reduzierung der Produktionskosten sowie eine Erhöhung der Fertigungskapazitäten.
Digital in den Prozess schauen
Als Unternehmen konzentriert sich WFL Millturn Technologies ausschließlich auf die Produktion multifunktionaler Dreh-Bohr-Fräszentren, beim Blick auf die Digitalisierung sieht ihr Geschäftsführer Norbert Jungreithmayr jedoch wenig Grenzen gezogen: „Die industrielle Digitalisierung nimmt Einfluss auf Maschinen, Prozesse und Systeme. Dank besserer Kontrolle über die physische Funktionsbereitschaft der Maschinen, verbessert die Digitalisierung die industrielle Produktivität“. Indem die Systeme der Produktionslinie durch die Digitalisierung besser mit den Mitarbeitern verbunden und koordiniert seien, würden weniger Maschinenstillstände die Zuverlässigkeit der Anlagen erhöhten und letztendlich die Produktion steigern.
„Unsere Vision besteht in der smarten und sicheren Vernetzung von Maschine und Mensch. Daher verfolgt unser Unternehmen die Themen Software und Konnektivität rigoros und stattet Kunden mit einem Komplettpaket aus: ob Simulation in CrashGuard Studio, Kollisionsüberwachung direkt auf der Maschinensteuerung, Prozessüberwachung mit WFL iControl oder Messen mittels Scannendem Verfahren – die Produktionsdaten sind dank unserer vorgefertigten WFL Software-Lösungen bestens abrufbar“, sagt Jungreithmayr.
Als Komplettbearbeitungsmaschinenhersteller liegt die Ausrichtung auf der Fertigung kleinerer Losgrößen. „Weiter stark zunehmen wird die Automatisierung, auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Unsere Motivation dahinter ist dabei weniger die autonome Fabrik zu erschaffen, sondern in zweiter, dritter Schicht kleine Losgrößen fertigen zu können. Das ist eine entscheidende Entwicklung. Natürlich sind hier auch Themen rund um Digitalisierung, Datenmanagement und Informationsgewinnung zu nennen. Die Maschinennutzung weiter zu verbessern ist essentiell. Die Hauptzeiten sind sehr gut entwickelt, optimale Maschinen und Werkzeuge werden eingesetzt. In Punkto Nebenzeiten, Rüstzeiten, Ausfallzeiten gibt es noch Potential. Aus unserer Sicht ist es jedoch wichtiger, Trends ein Stück weit zu antizipieren, im Vorhinein zu erkennen, damit wir das richtige Produkt oder die richtige Entwicklung bereits parat haben. Unsere Maschinen werden gemeinsam mit den Kundenanforderungen entwickelt. Als Gesamtlösungsanbieter pflegen wir während des gesamten Auftragsprozesses engen Kontakt zu unseren Kunden, welcher Trends frühzeitig erkennen lässt“, gibt Jungreithmayr einen Einblick.
Ganz konkret auf der AMB präsentiert WFL u.a. das mit Sensoren ausgestattete Werkzeug ICOtronic, das Informationen des Zerspanungsprozesses möglichst nahe an der Schneide liefert. Dadurch sollen zukünftig nicht nur Fräsprozesse optimiert, sondern die Produktivität der Maschine gesteigert werden. Die Vorführung auf der AMB erlaubt einen kleinen Einblick in die vielfältigen Entwicklungsprojekte von WFL. Auch das Ultraschallmessen wird den Besuchern der Messe live demonstriert. Ebenfalls auf der AMB vorgestellt wird das neue Betriebsdatenerfassungssystem myWFL Cockpit. Angezeigt werden Maschinen- und Programmzustände im zeitlichen Verlauf, Produktivität und technische Verfügbarkeit. Die Visualisierung erfolgt auf der Steuerung, am PC oder einem mobilen Gerät per Browser. Damit ist der User jederzeit über die Produktivität seiner Maschine informiert.
Neu ist auch das in myWFL Cockpit integrierte Energieverbrauchsmessgerät myWFL Energy mit Anzeige der aktuellen Leistungs- und Energieverbrauchsdaten sowie des Energieverbrauchs je Werkstück. Ein weiteres Highlight von myWFL stellt der integrierte Condition Monitoring Zyklus dar. Während des Ablaufs werden kontinuierlich die Reibungswerte der Achsen und Spindeln sowie die Temperatur im Frässpindelgehäuse und die Vibration bzw. der Wälzlagerzustandskennwert der vorderen Frässpindellagerung erfasst und auf der Steuerung gespeichert. Mittels Condition Monitoring Viewer können die Daten der verschiedenen Condition Monitoring-Durchläufe auf der Steuerung ausgewählt, grafisch übereinandergelegt und zeitlich analysiert werden. Sich anbahnende Störungen lassen sich damit frühzeitig erkennen und ungeplante Stillstände vermeiden.
Mit Blick auf zu erwartende Trends sagt Jungreithmayr: „Es ist schwierig, in die Kristallkugel zu blicken, aber ganz unabhängig von Themen wie Digitalisierung und Automatisierung wird es zukünftig ebenso wichtig sein, weiterhin in enger Kooperation mit den Kunden zu arbeiten, um deren Herausforderungen zu verstehen, Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Die Komplexität steigt und deshalb sehen wir eine effiziente Zusammenarbeit mit den Kunden und auch anderen Partnern als Schlüssel zum Erfolg. Wir sind davon überzeugt, dass die Spezialisierung und Fokussierung auf dem Gebiet der Komplettbearbeitung und als Systempartner mit höchster Fertigungskompetenz auch für die Zukunft sehr attraktiv bleiben wird – unabhängig davon, was der Markt braucht. In jedem Fall freuen wir uns auf die AMB und darauf Partner und Kunden wieder treffen zu können.“
Bild & Text: messe-stuttgart.de/amb/